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Forschungsstelle Lebus 1938 - 1945

Im Jahre 1938 entstand in Lebus eine Forschungsstelle zur Erforschung der Vor- und Frühgeschichte der mittleren Oderlandschaft. Im März 1938 überließ die Stadt Lebus lt. Vertrag auf 10 Jahre dem Staatlichen Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin ausgedehnte Räumlichkeiten im ehemaligen Lebuser Herrenhaus (Schloß) zur kostenlosen Nutzung.
Bereits seit 1931 war Professor Wilhelm Unverzagt Direktor dieses Berliner Museums. Seine beispiellosen Forschungsergebnisse begründeten den Ruf von Professor Unverzagt als "hervorragendster Vertreter der ostdeutschen Vor- Und Frühgeschichte". Für seine Grabungen in Lossow, Reitwein, Zantoch, Kliestow und nun auch in Lebus, fand er im Lebuser Herrenhaus einen wichtigen Stützpunkt für seine Forschungstätigkeit.

"Die Räume der Forschungsstelle gliederten sich je nach Zweck und Anordnung in drei Gruppen. Das Erdgeschoß diente dem Verkehr mit der Öffentlichkeit. Neben Eingangshalle und Garderobe umfaßte es einen Hörsaal für 100 Personen und zwei größere Ausstellungsräume, in denen die Ergebnisse unserer Forschungen in Gestalt von Karten, Plänen, Lichtbildern und Funden zur Anschauung gebracht wurden. Das Obergeschoß stand mit einem größeren Studiensaal, der fünf Arbeitsplätze umfaßte und auch eine Handbibliothek enthielt, sowie einem Zeichenraum der Wissenschaft zur Verfügung. Es enthielt außerdem Wohn- und Gemeinschaftsräume für den Aufenthalt der jeweils tätigen Forscher. Der dritte Teil der Räume endlich diente technischen Zwecken und der übersichtlichen Aufbewahrung der Funde aus den Grabungen." (Professor Unverzagt)
Als Verwalter und örtlicher Grabungsleiter der Forschungsstelle fungierte bis Ende 1940 Max Muth. Danach verrichtete Willi Lemke diese wichtige Aufgabe. Der gebürtige Zantocher und gelernte Tischler, dessen rechtes Bein seit einer Krankheit im 7. Lebensjahr gelähmt war, wird später auch in der zweiten Lebuser Grabungsperiode ab 1960 tätig sein.

Im Jahre 1938 begannen die Grabungen auf dem Pletschenberg, die in allen wesentlichen Punkten zu Beginn des Winters 1940 abgeschlossen wurden. Es standen bis Kriegsbeginn durchschnittlich 60 Arbeitskräfte zur Verfügung. Die nahezu vollständige Überbauung von Schloß- und Turmberg durch Gehöfte setzte den weiteren Grabungen erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Es folgten Untersuchungen am Schloßberg. Aus dem kriegsbedingtem Mangel an Arbeitskräften mussten 1943 die Grabungen eingestellt werden.

Da zu dieser Zeit die aliierten Luftangriffe auf Berlin am 01./02.03.1943 bereits auch schon Schäden am Berliner Museum anrichteten (fast alle Fensterscheiben gingen zu Bruch), beschleunigte man die Räumung der Sammlungsbestände, u.a. in die Lebuser Forschungsstelle. Am 24.03.1943 legte in Lebus der Dampfer Kurmark an. Aus ihm brachte man in der Hauptsache Fundmassen aus Zantoch, Lossow, Reitwein, Nauen, Neuzelle, Kliestow, Römerschanze, Burg und einer Reihe weiterer märkischer Wehranlagen in der Forschungsstelle unter. Ein zweites mal legte die Kurmark am 04./05.05.1943 in Lebus an und brachte weiteres wertvolles Material aus den Gräberfeldern von Aurith, Göritz, Billendorf u.a. brandenburgischen Grabstellen sowie ausgewählte Stücke aus Ungarn, Griechenland, Troja (Schliemannfunde) und dem Kaukasus.
1943 gab es Bemühungen, das Erdgeschoß der Forschungsstelle dem Generalbevollmächtigten (des Reichsmarschalls) für Sprengstoff zur Verfügung zu stellen. Eine bereits erlassene Beschlagnahmeverfügung gelang es durch Intervention des Staatlichen Museums an sehr hoher Stelle außer Kraft zu setzen. So konnte nun Ende Dezember 1943 die gesamte Bibliothek des Staatlichen Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin nach Lebus überführt werden. Am 02.03.1944 folgten die Diapositivsammlung, die Negativbestände, die Druckstöcke der Prähistorischen Zeitschrift, Fotoapparate, der Kino-Vorführapparat, der Lichtbildapparat sowie zahlreiche Meßgeräte aller Art, Zeichenmaterial usw. Das Staatliche Museum für Deutsche Volkskunde lagerte darüberhinaus die 300 besten Volkstrachten nebst dazugehöriger Wäsche (mehrere Tausend Katalog-Nummern) im Lebuser Herrenhaus ein.
Anfang 1945, die Rote Armee stand schon an der mittleren Oder, bemühte sich Professor Unverzagt unersetzliche Unterlagen, darunter auch die Belgrader Aufzeichnungen, Pläne, Fotos usw. zu bergen. Diese Bemühungen blieben ohne Erfolg.

Bereits im Mai 1945 begab sich Willi Lemke an den Ort der ehemaligen Lebuser Forschungsstelle, die von Anfang Februar bis Kriegsende innerhalb des sowjetischen Brückenkopfes (also einer von Kämpfen wenig berührten Stelle) lag. Die Flügelgebäude (Rotes Haus und Stall/Feuerwehr) waren noch völlig unzerstört. Das Herrenhaus (Schloß) wies im Mittelteil Zerstörungen auf. Willi Lemke stellte fest, dass trotz Schäden und Verschleppungen noch wertvolles Material vorhanden war, darunter der größte Teil der Bibliothek , der Ausgrabungsfunde, und zahlreiche gut erhaltene Tongefäße. Auch die Volkstrachten waren noch unberührt.
Die Rückführung des in Lebus befindlichen Evakuierungsgutes nach Berlin scheiterte an der sowjetischen Besatzungsmacht. "Es entstanden neue unersetzliche Verluste. Sowjetische Soldaten entfernten die Trachten aus den Räumen, sie wurden von der Bevölkerung zu Kleidern verarbeitet. Der Rest verfaulte auf dem Hof. Auch von den großenteils noch gut erhaltenen Tongefäßen wurden die meisten zerschlagen. Die Restbestände der Bibliothek wurden wenigstens in der Dunkelkammer zusammengetragen." In der Folgezeit "sind die Sachen durch Entwendungen der Bewohner von Lebus, mutwillige Zerstörungen durch spielende Kinder und mangelnde Schutzmaßnahmen seitens der Behörden weiterhin stark zusammengeschmolzen und beschädigt worden." (Professor Unverzagt).
Im Zeitraum Juni-September 1948 gelang G.Dorka (nun Leiter des Museums für Vor-und Frühgeschichte) und Mitarbeitern des Landesamtes Potsdam die Bergung des verbliebenen Evakuierungsgutes. Als Verlust sind große Teile der Funde von Börnicke, Aurith, Billendorf und Göritz, sowie Pläne, Fotos und Aufzeichnungen der Grabungen in Lebus, Kliestow und Belgrad zu bezeichnen. Infolge der Verwaltungsteilung von Berlin kam das Bergungsgut nicht mehr in das Westberliner Museum, sondern es erfolgte die Einlagerung in den Keller des Berliner Schlosses, wo es der späteren Akademie der Wissenschaften der DDR zur Verfügung stand. Bezirksbodendenkmalpfleger J.Hutloff (aus Frankfurt/O) konnte schließlich 5 245 (von 8 000) verbliebene Bücher der Museums-Bibliothek retten, die später in den Bestand der Akademie eingegliedert wurden.

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