Das Jahr 1945 brachte der Stadt Lebus ein sehr bitteres Schicksal.
Die Rote Armee, erst Verbündeter Deutschlands bei der Aufteilung Osteuropas, eroberte nun auch
unsere Heimatstadt.
Die erste Phase der Zerstörung umfasst die Tage vom 02.02.-12.02.1945. Am 02.02. errichtete die Rote
Armee bei Göritz/Reitwein den ersten Brückenkopf links der Oder in der Lebuser Gegend. Der 06.02. markiert
den Abschluss der Flucht fast aller Lebuser Bürger und den Rückzug der deutschen Kräfte unter dem Kommando der
Division Kurmark (sie hielt eine 18km lange Linie nördlich Frankfurts) hinter den Bahndamm der Küstriner Strecke.
Fliehende Lebuser berichten, dass der Ort tlw. kräftig beschossen wurde.
Die Heeresgruppe Weichsel verzeichnete den Verlust von Lebus für den 12.02. Lebus war nun größtenteils
in sowjetischem Besitz und fast unversehrt. Bekannt sind Einschläge: die Häuser Lehmann (Schlossberg)
und Rappe (Gartenstraße), das Schützenhaus und das Grundstück Giese in der Lindenstraße.
Die Windmühlen Mathias und Bretsch (aus Holz erbaut) brannten ab.
Die sowjetischen Scharfschützen, die von rechts der Oder auf alles schossen, was sich in Lebus
bewegte, beschädigten kaum die Gebäude.
Die zweite und dritte Phase der Zerstörung sind ineinander verschachtelt, und umfassen zeitlich Errichtung
und Konsolidierung des Brückenkopfes der 1.Weißrussischen Front. Lebus war Teil dieses gigantischen
Bollwerkes von 44km Breite und 7-10km Tiefe und wurde von der 247. (sowj.) Schützendivision gehalten.
Die zwei Phasen endeten, als die sowj. Kampftruppen den Brückenkopf verließen, um auf Berlin zu stürmen,
also um den 20.04.1945.
Als zweite Phase der Zerstörung werden außerhalb der aktiven Kampfhandlungen liegende Aktivitäten
der Roten Armee definiert. In Lebus lagen ca. 20 000 Rotarmisten, untergebracht in Erdbunkern.
Diese Bunker legte man, um sie vor möglichem Beschuss zu schützen, an den ostwärts gerichteten Oderhängen an.
In Lebus Busch bezog man auch den Oder-Deich zum Bunkerbau ein Das Baumaterial holten sich die Rotarmisten
von den Lebuser Wohnhäusern, die innerhalb des Brückenkopfes lagen. Möbel, Öfen, Hausrat usw.
traten ebenfalls den Weg aus den Häusern in die Bunker an.
Das Mauerwerk weiterer Gebäude benötigte die Rote Armee zur durchgängigen Befestigung einer
militärischen Fahrstraße. Diese führte im Odertal, von Norden kommend, unmittelbar östlich neben
der (heutigen) Teerstraße über das (heutige) Klärwerk zur Chaussee.
Von der "Oberstadt" ist überliefert, dass Wohngebäude zu Unterständen umgebaut wurden, so z.B. das
Haus (heute) Pfeiffer. Das Grundstück wurde befestigt,
Laufgräben führten u.a. zum Elisenberg und zu einer MG-Stellung im (heutigen) Gewerbegebiet. Ein Zeitzeuge
berichtet von Bunkern in der Lindenstraße, die östlich von Gebäuden standen, diese Gebäude also als Schutzschilde benutzten.
Den gesamten Brückenkopf durchzog ein dichtes Netz von Laufgräben. Diese verbanden die Kampfstellungen mit den
Unterkünften (Erdbunker).
Als nach dem 08.05. Lebuser Bürger zurückkehrten, fanden viele ihre Häuser ohne Dach, Fenster, Türen,
Dielen vor, und sie waren völlig leer geräumt. In Wohnräumen befand sich Pferdemist, in Küchen stieß
man auf reichlich menschlichen Kot. Es wird auch berichtet, dass in den Fußboden ein Loch geschlagen wurde,
durch das man den Kot in den Keller fallen ließ. Dabei war es unerheblich, dass z.B. im Keller gelagerte
Kartoffeln ungenießbar wurden.
Eine Reihe nicht exponiert liegender Häuser, die die Roten Armee genutzt hatte, wiesen tlw. auch
Kampfspuren auf, waren jedoch nicht, bzw. nicht erheblich beschädigt.
Die Sprengung des Wasserturmes erfolgte durch ein namentlich bekanntes Kollektiv von Rotarmisten.
Der dritten Phase werden Zerstörungen zugeordnet, die durch Kampfhandlungen eintraten. Bekannt sind
Bombentrichter auf dem Straßendreieck Eich-Str./Schloßberg, Böschung am Friedhof, auf dem Friedhof, auf dem
Turmberg (hinter Grundstück Spieckermann) und Mitte Schloßberg. Die Dächer des Herrenhauses
und der Kirche wurden beschädigt.
Das Viertel um das ehem. Deutsche Haus weicht in der Art der Zerstörug ab. Das, was
zurückkehrende Lebuser vorfanden, und ein Zeitzeuge beobachtete, weist darauf hin, dass
eine größere Menge Munition oder evtl. ein Tanklager explodiert sein muss.
Zwei deutsche Vorstöße auf den Brückenkopf mit Luft- und Artillerie- Unterstützung
unter Panzereinsatz brachten Zerstörungen in der "Oberstadt",ebenso wie verstärkte Kämpfe an
der Nord-West-Peripherie des Lebuser Brückenkopfes (Am Bahnhof und Im Felde).
Ein Zeitzeuge berichtete, dass das nördlich Lebus liegende Bahnwärterhaus von einem
deutschen Panzer überrollt wurde.
Belegt ist der Einsatz von Bordwaffen über der Lebuser Altstadt, der
jedoch nicht nennenswert zur Beschädigung der Bausubstanz beigetragen hat. An dieser Stelle
soll die Legende entkräftet werden, Rudel hätte durch Luftangriffe Lebus in
Schutt und Asche gelegt. Tatsache ist, Rudel flog hier nur am 09.02. Angriffe auf 12 Panzer,
u.a. vom Typ "Stalin", die bis nördlich Anglerheim vorangekommen waren. Nachdem er diese
vernichtet hatte, erhielt er selbst einen Treffer und wurde "außer Gefecht" gesetzt.
Phase vier beinhaltet die Zerstörungen während der sowjetischen Besatzung.
Der SMAD-Befehl 209 führte in der SBZ (und auch noch im SED-Staat) zur Zerstörung
von Herrensitzen. So verschwanden in Lebus das Herrenhaus (ab 1948 abgetragen) nebst Rotem Haus
und Stallgebäude.
Das heutige Amtsgebäude, in das die Kommandantur einzog, blieb jedoch auch später erhalten.
Als Episode am Rande sei vermerkt: Wenn den Kommandanturisten danach war, beschossen sie
aus purer Lust das Kriegerdenkmal und versuchten den Adler zu treffen, auch gleich aus dem Fenster heraus.
Das Herrenhaus beherbergte vor 1945 eine prähistorische Forschungsstätte. Hier befanden sich
neben der Ausrüstung auch unersetzliche Fundstücke aus vielen Grabungsstätten (z.B. Troja und Lebus), die
in großem Umfang auch als Evakuierungsgut Berliner Museen eingelagert waren. Zu Kriegsende
war trotz Beschädigung und Verschleppungen noch umfangreiches wertvolles Material vorhanden.
Die Rückführung nach Berlin scheiterte an der sowjetischen Besatzungsmacht. "Es entstanden neue
unersetzliche Verluste. Sowjetische Soldaten entfernten die Trachten aus den Räumen, sie
wurden von der Bevölkerung zu Kleidern verarbeitet. Der Rest verfaulte auf dem Hof"
Das Staatliche Museum für Deutsche Volkskunde hatte die 300 besten Volkstrachten nebst
dazugehöriger Wäsche (mehrere Tausend Katalog-Nummern) evakuiert.
"Auch von den großenteils noch gut erhaltenen Tongefäßen wurden die meisten zerschlagen. Die Restbestände
der Bibliothek wurden wenigstens in der Dunkelkammer zusammengetragen." In der Folgezeit
"sind die Sachen durch Entwendungen der Bewohner von Lebus, mutwillige Zerstörungen durch
spielende Kinder und mangelnde Schutzmaßnahmen seitens der Behörden weiterhin stark
zusammengeschmolzen und beschädigt worden." (Professor Unverzagt).
Im Zeitraum Juni-September 1948 gelang G.Dorka (nun Leiter des Museums für Vor-und Frühgeschichte) und Mitarbeitern des Landesamtes Potsdam die Bergung des verbliebenen Evakuierungsgutes. Als Verlust sind große Teile der Funde von Börnicke, Aurith, Billendorf und Göritz, sowie Pläne, Fotos und Aufzeichnungen der Grabungen in Lebus, Kliestow und Belgrad zu bezeichnen. Infolge der Verwaltungsteilung von Berlin kam das Bergungsgut nicht mehr in das Westberliner Museum, sondern es erfolgte die Einlagerung in den Keller des Berliner Schlosses, wo es der späteren Akademie der Wissenschaften der DDR zur Verfügung stand. Bezirksbodendenkmalpfleger J.Hutloff (aus Frankfurt/O) konnte schließlich 5 245 (von 8 000) verbliebene Bücher
der Museums-Bibliothek retten, die später in den Bestand der Akademie eingegliedert wurden
Übermittelt ist weiterhin, dass der Bürgermeister im Sommer 1945 das
beschädigte Dach der Kirche zum Rückbau freigab. Dabei kam eine Person ums Leben, als das Dach
einstürzte. Von Querschiff und Chor blieben später nur Grundmauern erhalten. Der Bürgermeister
gab weitere beschädigte Häuser zu Abriss und Gewinnung von Baumaterial frei, der ursprüngliche Besitzer
erhielt die Verpflichtung, das Grundstück einzuebnen.
Infolge Demontage für Reparationsleistungen an die UdSSR wurden das zweite Gleis der Eisenbahnstrecke
Booßen-Küstrin und die eingleisige Strecke über Grube Vaterland zurückgebaut. Das war insofern zu verkraften,
da das Verkehrsbedürfnis auf dieser Strecke wegen Abtrennung der Ostgebiete drastisch zurückging.
Ungünstig wirkte sich jedoch die Demontage bzw. Zerstörung der Stellwerke aus.
Bekannt sind weitere Beutenahmen. Man kann sich vorstellen, dass es kaum noch Viehbestände gab.
Berichtet wird, dass von der Roten Armee Kühe außer Landes getrieben wurden. Eine solche Herde sammelten
die Rotarmisten nahe dem Unterkrug.
Das Stallgebäude des Amtshofes war 1946 noch vorhanden. Es diente der Unterbringung von Beutegut. Bekannt ist, dass 1946
Handwerker Klaviere transportfähig zu verschalen hatten, die auf Weisung des Bürgermeisters
von Lebuser Gespannführern abtransportiert wurden.
Anmerkung: In der "Frau von heute" v.04.05.1956 liest man: "... als die sowjetischen
Truppen über den Fluß setzten, fanden sie in Lebus keinen Menschen, die Stadt selbst war zu 97%
zerstört." |