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Der Lebuser Kietz - das Fischerdorf


Gliederung (bitte auf Kapitel klicken) :

  1. Der Begriff "Kietz"
  2. Der Lebuser Kietz
  3. Geschichte des Kietzes Lebus (bis 1600)
  4. Geschichte des Kietzes Lebus (nach 1600)

  Klicken Sie hier, um das Kietzer Siegel zu betrachten
  Und hier: 400-jähriger Fischereistreit


Der Begriff "Kietz" (oder auch: "Kiez")


Die Siedlungsform "Kietz" ist in Brandenburg weit verbreitet. Dabei gibt es durchaus Unterschiede im Ursprung und Bedeutung. Sprachlich ist die Herleitung vom latein. vicus (= Dorf, Stadtteil, Straße, Gasse), aber auch vom slawischen chyza denkbar. Bezeichnet wird damit eine offene Siedlung meist slawischen Ursprungs oft an Flüssen u.a. Gewässern, Fischerei ermöglichten. Unter deutscher Herrschaft wurden Kietze auch Dienstleistungsorte für die in der Nähe befindliche Burg. Die Kietzer waren ohne verhuftes Land. Zusätzlich zu diesen Merkmalen hatte der Lebuser Kietz auch Dienstleistungsfunktionen für den Handel am Oderübergang (als Fährleute u.a. Hilfsleistungen für die Handelsleute), die eigentliche Unterstadt am Fluß entstand ja erst im 13. Jahrhundert, auch ohne verhuftes Land.

Der Lebuser Kietz


Der Lebuser Kietz liegt direkt an der Oder, im Westen durch Hügel begrenzt, südlich der Altstadt Lebus reicht er im Norden bis zur Breiten Straße, im Süden bis zum Kietzer Berg. Neben dem Burgberg ist er die älteste kontinuierlich bewohnte Siedlung von Lebus. Vermutlich mit der Niederlassung der slawischen Wilzen im mittleren Oderraum ist es auch zur Gründung des Kietzes von Lebus gekommen, dessen Bewohner sich anfangs wohl vorwiegend durch Fischfang ernährt haben. Um 1000 erhielt diese Siedlung den Charakter einer Vorburg-Siedlung der Kastellanei auf dem Lebuser Burgberg. Mit der Christianisierung stieg die Nachfrage nach Fischen, besonders zu Fastentagen, und der Kietz erhielt eine neue Bedeutung. Bei den Ausgrabungen auf dem Burgberg wurden in den mittel- und spätslawischen Schichten große Mengen an Fischresten gefunden. In dieser Zeit werden wohl auch zum ersten Male die Rechte der Kietzer formuliert worden sein, denn mit Direktunterstellung des Kietzes 1354 garantierte der Bischof den Schutz und die vorhandenen Privilegien der Lebuser Kietzer. Während man für das 11.-13. Jahrhundert von einer slawischen Bevölkerung ausgehen kann, ist danach wohl eine allmähliche Eindeutschung dieser Vorburgsiedlung eingetreten, der Kietz behielt im Wesentlichen seinen Charakter.

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Geschichte des Kietzes Lebus (bis 1600)



 * Archäologische Funde 1958 und 1993/94 erbrachten Keramiknachweise für die Besiedlung des Kietzes in mittel- u. spätslawischer Zeit. Seit 1000 kann man eine Ufersiedlung der Fährleute und Fischer annehmen. Am Kreuzungspunkt zweier wichtiger überregionaler Handelswege werden die Kietzer auch für Dienstleistungen für den Warenumschlag (z.B. im Salzhandel) zur Verfügung gestanden haben.
 * In den Quellen wird erwähnt, daß es ein Vorteil der Kietzer war, bei den vielen kriegerischen Auseinandersetzungen beim Herannahen der Feinde mit ihren Booten sich in das Sumpfgebieten rechts der Oder zurückzuziehen, von dort mussten sie zwar die Brandschatzung ihrer Hütten mitansehen, hatten aber ihr Leben ge-rettet und kehrten nach dem Abzug der Feinde zurück, um ihre Hütten wieder aufzubauen.
 * Wie das Suburbium im NW war der Kietz in piastischer Zeit Dienstleistungssiedlung der Kastellaneiburg.
 * Mit der Christianisierung bekam die Fischerei einen neuen Stellenwert. Auch als Übersetzstelle der Pilger bei Lebus erlangte der Kietz eine neue zusätzliche Bedeutung bis weit in die Mitte des 13. Jahrhunderts.
 * Obwohl sich die erste Fixierung der Rechte der Kietzer im Dunkel der frühen Geschichte verliert, hat der Landesherr vermutlich schon sehr zeitig ihren Status und ihre Privilegien festgeschrieben. Auch bei Heraus-bildung und Vergrößerung der städtischen Siedlung Lebus zwischen Burgberg und Fluss behielt der Kietz seine Eigenständigkeiten und Besonderheiten, bis 1801 gehörte er nicht zur Stadt Lebus.
 * In der deutschen Zeit konnte der Kietzes wohl seinen Charakter als slawische Dienstleistungssiedlung, jetzt - der deutschen Burg, behalten. Da die Kietzer ja ohne Landbesitz waren, gingen vermutlich die manche Veränderungen der deutschen Ostkolonisation, z.B. die Verhufung und neue Strukturen, am Kietz vorbei.
 * Gravierender wirkten sich dagegen Veränderungen im Wasserlauf der Oder und der Bau einer ersten Oder-brücke in Frankfurt aus. Vermutlich gingen am Ende des 13.Jh. die Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Oderübergang stark zurück, die Bedeutung der Fischerei für die Existenz der Kietzer nahm weiter zu. In dieser Zeit verfestigte sich wohl auch die gehandhabte Praxis der 17 Kietz-Lebuser Fischer die Oder zwi-schen Frankfurt und Küstrin befischen zu können zum vom Landesherren geschützten Gewohnheitsrecht.
 * Als nach dem Vergleich von 1354 mit Stadt, Land und Burg Lebus auch der Lebuser Kietz in den Besitz des Bistums kam, wurden die offensichtlich vorhanden Rechte und Privilegien der Kietzer als Fischer bekräftigt.
 * Um 1405 hatten die Kietzer "in vico piscatorum, quod Keys dicitur" im Dorf der Fischer, das Keys =Kietz genannt wird, 16 Grundstücke, die jährlich 10 Groschen zahlen mussten, damals eine sehr hohe Abgabe.
 * Mit der Universitätsgründung und Vergrößerung des Fischbedarfs in Frankfurt (Oder) nach 1506 kam es im-mer häufiger zu Konflikten mit den Frankfurter Fischern. Im Urteil vom 4.10.1510 bestätigte der Kurfürst in einer Urkunde die Rechte und Privilegien der Lebus-Kietzer Fischer. Die Konflikte aber schwelen weiter.

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Geschichte des Kietzes Lebus (nach 1600)


 * Ab 1609 sind uns Aufzeichnungen des Kietzer Lehensschulzen im ältesten der Schöppenbücher erhalten: Der Lehensschulze hatte, im Unterschied zu den übrigen 16 Kietzer Fischern, sein Grundstück als Lehen, ansonsten aber, abgabefrei, dieses Recht konnte er in männlicher Linie weitervererben, nur wenn kein Sohn da war, fiel das Lehensgrundstück an den Landesherren zurück und wurde von diesem neu vergeben. Der Lehensschulze musste dem neuen Landesherren den Lehenseid leisten. Ansonsten war er an die Weisungen des Domänenpächters gebunden. Die Fischereirechte waren genossenschaftlich, sie blieben individuell immer an das Kietzer Grundstück gebunden, auch als manche Kietzerbürger Wiesenbürger wurden.
 * 1722 wurde auch das 17. Grundstück, das Lehensschulzen-Gut, erbliches Eigentum seines Inhabers.
 * Als 1640 sich die Frankfurter der schwedischen Besatzungsmacht bedienten, um die Lebuser Kietzer als Konkurrenten auszuschalten, begann für die Kietzer eine schwere, rechtlose Zeit. Da die Urkunde von 1510 verloren zu sein schien, ließen sich auch nach Abzug der Schweden die alten Rechte nicht mehr einfordern.
 * Mit Eindeichung und Generalseparation im 18. Jahrh. entstanden den Kietzer Fischer neue Probleme: wer hatte das Recht, die durch Eindeichung nun entstandenen "Laken, Lanken und Löcher" zu befischen. De facto waren die Kietz-Lebuser immer mehr der Stadt Lebus zugehörig, formal blieben sie selbständig.
 * Dem großen Brand 1803 fiel auch der Kietz zum Opfer, 1806 brachte französische Einquartierung viel Not. 1810 verlor der "Der Kietz vor Lebus" seine Eigenständigkeit und wurde von Stadt Lebus eingemeindet. 1813 enden mit Tode des letzten Lehensschulzen Wolburg (Kietzerstr. 138, heute 18) die Aufzeichnungen.
 * 12. 11. 1903 kam es zur Gründung "Der vereinigten Kietzer vor Lebus" unter Vorsitz von Wilhelm Meiners.
 * 19.3.1905 konnten "Die vereinigten Kietzer von Lebus" vor Gericht einen großen Erfolg verzeichnen; ihre uralten Rechte wurden von einem Schöffengericht in Frankfurt (Oder) bestätigt. Alle späteren Eingaben und Klagen wurden zurückgewiesen, 1911 bestätigte noch einmal das Reichsgericht die Privilegien der Kietzer.
 * Voll Stolz setzten die 17 Lebus-Kietzer nun auf ihren Hausnummernschildern den Vorsatz Kietz hinzu.
 * 1945 wurde auch das Ufergelände am Kietz befestigt und umkämpft, die Häuser zu einem erheblichen Teil zerstört, doch obwohl die Oder jetzt Grenzgewässer geworden war, lebte die Oderfischerei wieder auf.
 * Heute hat zum großen Teil die Genossenschaft "Schlaube-Fisch" die Fischereirechte auf der Oder von den Kietzern erworben. Die Kietzer selbst haben allerdings das Recht weiter für den eigenen Bedarf zu fischen.

Autor: Manfred Hunger
Telefon-Kontakt: 033 604 - 50 49



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